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25. Februar 2016 | Aussenpolitik, Islam

Erdogan verwandelt Türkei in ein Pulverfass

Kurden-Konflikt könnte nächste Flüchtlingswelle auslösen und Syrien-Frieden verhindern

Karin Kneissl

Foto: Andreas Ruttinger

Terror wird in der Türkei zum blutigen Alltag. Zuletzt wurden 28 Menschen bei einem Anschlag auf einen Militärkonvoi in Ankara getötet. Präsident Erdoğan bezichtigte sofort syrische Kurden und legitimiert damit sein militärisches Eingreifen in den Bürgerkrieg.

Die USA und Russland haben sich am Montag auf eine Waffenruhe in Syrien verständigt, die ab 27. Februar gelten soll. Ob dieser Beschluss wirksam wird, ist nicht nur von seiner Bestätigung durch die zahllosen bewaffneten Gruppen im Bürgerkriegs-Staat abhängig, sondern auch von der Türkei. Die hatte zuletzt immer heftigere Angriffe auf Kurden im grenznahen Raum verübt, wo die Kurden gegen den Islamischen Staat (IS) kämpfen. Nach dem Motto „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ leistete Erdoğan so – einmal mehr – Unterstützung für die blutrünstigen islamistischen Mörderbanden. Zuletzt waren gegen die Türkei auch Vorwürfe erhoben worden, einen schwunghaften Öl-Handel mit den Terroristen des IS zu betreiben.

Bald Kurden als Flüchtlinge?

Der türkische Präsident Erdoğan ist anscheinend bereit, den Konflikt mit den Kurden weiter eskalieren zulassen – und befeuert ihn damit auch im eigenen Land. Die dadurch entstehende Instabilität ist nicht gerade eine Empfehlung für die den Türken von der EU – und hier vor allem von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel – zugedachte Rolle als Bollwerk gegen die nicht enden wollenden Flüchtlingsströme über die Ägäis nach Griechenland.

Die Nahost-Expertin Karin Kneissl geht im Interview mit FPÖ- TV gar davon aus, dass die Türkei selbst Ursprung eines neuen Massen-Exodus von Flüchtlingen werden könnte: „Ich denke da nicht nur an die Syrer und die Iraker, die in der Türkei auf Zwischenstation sind, sondern ich denke vor allem auch an politische Gegner der aktuellen türkischen Regierung – Kurden oder die säkularen Kräfte der türkischen Mitte – die vielleicht, wenn sich die Türkei so weiter entwickelt, aus persönlichen Verfolgungsgründen versuchen werden, das Land zu verlassen.“ Das mit Milliarden Euro gestützte Vertrauen, das vor allem Deutschland in Erdoğan setzt, verhelfe ihm zu noch mehr Macht, so Kneissl: „Erdoğan spielt schon sehr lange auf einer Klaviatur der absoluten Machtfülle gegenüber allen, die ihm in den Weg kommen könnten. Er spricht ja auch nicht von Opposition, er spricht von den dunklen Mächten, von den Feinden Gottes beispielsweise. Das ist eine sehr kuriose Wortwahl, die er an den Tag legt.“

Türkische Bodentruppen?

Kneissl befürchtet durch die aktuelle Verschärfung des Kurden-Konfliktes auch Auswirkungen auf Syrien. Das Verhindern eines zusammenhängenden kurdischen Territoriums entlang der türkisch-syrischen Grenze sei nämlich die größte Befürchtung der Türkei. „Das wollen sie mit allen Kräften verhindern. Und da weiß man nicht, zu welchen Mitteln die Türkei noch greifen könnte – bis hin zur Beteiligung vielleicht auch mit Bodentruppen an den Kämpfen in Nordsyrien“, so die Expertin. Im Zuge russischer Angriffe auf Aleppo drohte Erdoğan – ungeachtet seines Versprechens, die Flüchtlingsströme unter Kontrolle zu halten – mit einer neuen Welle.

Gerade die „Schleusenfunktion“, die dem türkischen Präsidenten von der EU nun zugedacht wird, werde er wohl auch nutzen, um die türkische Position im Syrien-Konflikt zu verstärken, bestätigt Kneissl: „Auf jeden Fall. Das hat er in der Vergangenheit gemacht und das tut er weiterhin, aber jetzt um einen Grad brisanter.“

Die Türkei wird zum Pulverfass

Nahost-Expertin Karin Kneissl im Interview

NFZ 25.02.2016


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