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29. Jänner 2015

Neue Freie Zeitung: Geldschwemme lässt den Euro schmelzen

Interview mit dem ehemaligen Weltbank-Direktor Robert Holzmann, der das Anleihenkaufprogramm der EZB als "riskante Strategie" bezeichnet.

Der Euro ist seit Wochen auf Talfahrt. Die Krisenstaaten – allen voran Greichenland – bekommen die Schulden nicht in den Griff. Die Wirtschaft stagniert. Die Europäische Zentralbank will den Markt mit mehr als 1,1 Billionen Euro fluten. Doch ob sich die gewünschten Folgen einstellen, ist höchst fraglich.

Harald Vilimsky sagt "Danke, Mario Draghi!"

Die aktuelle Ausgabe der Neuen Freien Zeitung (NFZ) berichtet über die Auswirkungen des schwachen Euro auf die Sparer und die besonders betroffenen Franken-Kreditnehmer. Der freiheitlichen EU-Delegationsleiter Harald Vilimsky kommentiert die aktuelle Entscheidung der EZB mit Sarkasmus und sagt „Danke, Mario Draghi!“. Ebenfalls zum Schwerpunktthema sprach die NFZ mit dem ehemaligen Weltbank-Direktor Robert Holzmann. Der Steirer ist Professor für Volkswirtschaft und war 14 Jahre lang in Spitzenfunktionen bei der Weltbank tätig, darunter als amtierender Vizepräsident und Direktor für Soziale Sicherheit und Arbeit.  Hier das Interview in voller Länge:

Wie beurteilen Sie den aktuellen Schritt der EZB, Staatsanleihen im Ausmaß von 1,14 Billionen Euro aufkaufen zu wollen?
Robert Holzmann: Das ist eine sehr riskante Strategie, um Deflation und Stagnation im Euro-Raum zu vermeiden.  Für sich ist sie wahrscheinlich unzureichend und es müssten umfassende Reformschritte in den Mitgliedsländern gesetzt werden.  Diese könnten aber durch die Massnahmen der EZB angehalten werden, Reformen eben nicht zu setzten und zuzuwarten.  Nur wenn sich die erhöhte Geldmenge auch in Investitionen und nicht nur Konsumausgaben übersetzt, können wichtige und langfristige Wachstumsanstöße gegeben werden. Wäre man um ein Qantitative Easing herum gekommen?  Ja, wenn die Euro-Länder selbst und schon früher Strukturreformen und wachstumspolitische Maßnahmen umgesetzt hätten.  Dann hätte auch die Fiskalpolitik weniger strikt sein können.

Mit Versprechungen und höheren Ausgaben wird Griechenland nicht gesunden

Welche Folgen ergeben sich Ihrer Meinung nach aus dem Wahlergebnis in Griechenland? Ist der von SYRIZA geforderte Schuldenschnitt sinnvoll? Sollte Griechenland danach aus dem Euro ausscheiden oder Mitglied der Währungsunion bleiben?
Holzmann: Die griechische Entwicklung ist eine Herausfordeurng für die EU, alle EU-Länder und den IWF.  Sie fordert die ökonomische Orthodoxie heraus, aber ob sie liefern kann, was der neue Ansatz verspricht, ist nicht sicher.  Eine optimistische Sichtweise wäre, wenn es der neuen Regierung gelänge, ein eigenständiges und umfassendes Reformprogramm aufzustellen und auch umzusetzen.  Dann wären die Troika - und Gläubigerländer - wahrscheinlich bereit, einem Schuldenschnitt zuzustimmen.  Anderfalls würden sie nur gutes Geld dem schlechtem hinterherwerfen und Reformanstrengungen untergraben.  Allein mit sozialpolitischen Versprechen und höheren Budgetausgaben wird Griechenland nicht gesunden.

Wie kann die Euro-Gemeinschaft die Staatsschuldenproblematik, die ja nicht nur in Griechenland besteht, generell in den Griff bekommen?
Holzmann: Will man eine Entschuldund durch (künftige) Inflation und repressive Finanzmaerkte vermeiden, dann gibt es nur die Dreifaltigkeit von umfassenden Strukturreformen in den Gemeinschaftsländern verbunden mit einer Fiskalpolitik, welche anfangs durchaus das Fiskaldefizit erhöhen kann, und mit einer umfassenden Wachstumspolitik, die auf den beiden ersten Elementen aufbaut.  Dazu wird es aber notwendig sein, Staatsausgaben- und -einnahmenprogramme umfassend zu durchleuchten und jene Programme wesentlich zu kürzen oder aufzuheben, für die keine Wirksamkeit nachgewiesen wird: Auf Bundes-, Landes und Gemeindeebene und in den parafiskalischen Institutionen, also Sozialversicherungen, Kammern oder öffentlichen Unternehmen.

Schwacher Euro führt mittelfristig zu höheren Zinsen

Angesichts der offenbar bewusst betriebenen Schwächung des Euro: Wie sind die Auswirkungen dieser Politik auf Österreich? Überwiegen die Nachteile (Entwertung von Sparguthaben, Problem der Franken-Kreditnehmer) oder die Vorteile (Export)?
Holzmann: Die Schwächung des Euro ist zu begrüßen:  Es ist für die Exporte gut, und eine leichte Inflation durch erhöhte Importpreise nützlich.  Dies mag vorübergehend für Sparer nicht gut sein, wird aber bei Erfolg zu einer früheren Erhöhung der Zinsen und einer stabilen Erhöhung der Finanzmarkterträge führen.

Ist der Erhalt des Euro Ihrer Ansicht nach alternativlos oder wäre eine geordnete Rückkehr zu nationalen Währungen oder kleineren Währungszonen (Nord-/Süd-Euro) denkbar?
Holzmann: Es ist immer gut, über Alternativen nachzudenken, ich glaube aber, im Moment gibt es keine guten Alternativen.  Dass Griechenland unter Umständen „Urlaub vom Euro“ machen muss, würde wahrscheinlich zu keiner Katastrophe führen.  Dass die Eurozone nach turbulenten Jahren auf weniger Länder im Norden schrumpft, kann auch nicht ausgeschlossen werden.  Dabei könnte jedoch das Projekt der EU - und ähnlicher europäischer Konstrukte - in Gefahr geraten.  Dies politisch anzustreben, ist derzeit nicht sinnvoll.

Die ehemaligen Systemparteien werden verlieren

Welche politischen und sozialen Folgen sind durch die sich nun wieder verschärfende Krise zu erwarten? Droht dem bisher tonangebenden Establishment aus bürgerlichen und sozialdemokratischen Parteien generell die Abwahl?
Holzmann: Die griechische und – wahrscheinlich - die spanische Entwicklung wird den politischen und ökonomischen Diskurs in Europa beleben, aber hoffentlich nicht allein von linker Seite.  Die ehemaligen Systemparteien werden dabei verlieren.  Ob andere Parteien davon profitieren können und sich in den politischen Diskurs einbringen, hängt von ihrer Fähigkeit ab sich mit guten Ideen zu artikulieren.


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