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Völker- und Europarechtler Geistlinger zu Schuldenunion und EU-Eigenmittelbeschluss

"Jede Änderung des EU-Beitritts-Bundesverfassungsgesetz bedeutet eine Gesamtänderung der Bundesverfassung und bedarf daher einer Volksabstimmung."

Universitätsprofessor Geistlinger zu Schuldenunion und EU-Eigenmittelbeschluss - "Jede Änderung des EU-Beitritts BVG bedeutet eine Gesamtänderung der Bundesverfassung und bedarf daher einer Volksabstimmung."

Foto: FPÖ TV

An der Pressekonferenz mit FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl heute, Dienstag, nahm auch ao. Univ.-Prof. Dr. Michael Geistlinger teil und erläuterte die Problematik der EU-Schuldenunion.

EU-Haushalt muss ausgeglichen sein

Der Rat habe im Dezember 2020 den Mehrjährigen Finanzrahmen als Verordnung beschlossen. Im Februar 2021 wiederum hätten das Europäische Parlament und der Rat das sogenannte Aufbauinstrument als Verordnung angenommen. „In beiden Verordnungen wurden 750 Milliarden Euro zur Bewältigung der Covid-19 Folgen mitkalkuliert, die aus dem EU-Budget nicht finanziert werden konnten“, erläuterte Geistlinger. „Dieses Geld musste über ein Darlehen beschafft werden, die Darlehensaufnahme durch die Kommission auf EU-Ebene verstößt aber gegen alles, was die Kommission noch 2015 selbst ausdrücklich formuliert hat. Sie hat vollkommen zu Recht immer vertreten, dass aus Artikel 310 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgt, dass der EU-Haushalt ausgeglichen sein muss und dass er aber nicht so ausgeglichen werden darf, dass öffentliche Schulden gemacht werden.“

Dennoch 750 Milliarden öffentliche Schulden

Gerade das passiere aber über die Darlehensaufnahme von 750 Milliarden Euro, die nämlich öffentliche Schulden seien, die noch die nächste Generation bis 2058 belasten würden, führte Prof. Geistlinger weiter aus. „Anstatt also nun zum Beispiel Artikel 310 AEUV zu ändern, gingen Kommission, Rat und Europäisches Parlament trickreich vor. Sie stützten das Aufbauinstrument auf die Kompetenz Wirtschaftspolitik und deren Führung in gemeinsamem Interesse (Artikel 120, 121 AEUV) und die Koordination der Wirtschaftspolitik für wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt (Art 174 und 175 AEUV). Der Mehrjährige Finanzrahmen orientierte sich einfach am Verfahren nach Artikel 312 AEUV, und beide Verordnungen taten so, als wäre alles, was von ihnen abzuleiten war, vom EU-Vertrag und vom Vertrag über die Arbeitsweise der EU gedeckt. Der österreichische Vertreter im Rat machte bei all dem mit.“

Europäische Verfassung doppelt verletzt

Prof. Geistlinger weiter: „Tatsache war aber, dass für die Ermächtigung zur Darlehensaufnahme, für eine flankierende Erhöhung der sogenannten Eigenmittelobergrenze und für eine damit verbundene Ausfallshaftung der EU-Mitgliedstaaten eine Vertragsänderung nach Artikel 48 EUV notwendig wäre. Sie wäre schon notwendig gewesen, als diese beiden Verordnungen angenommen wurden. Es wird die Verpflichtung des Haushaltsausgleichs und das Grundprinzip der europäischen Wirtschaftsverfassung der ‚gesunden öffentlichen Finanzen‘ (Art 119 AEUV) verletzt. Europäisches Parlament und Rat verletzen ihre vertragsmäßigen Kompetenzen und damit das Grundprinzip des EU-Vertrages der begrenzten Einzelermächtigung.

Österreich spielt brav mit

Anstatt dies offenzulegen, wurden die 750 Milliarden Euro Darlehensermächtigung, als man nicht mehr umhinkam, die Mitgliedstaaten zu involvieren, in den EU-Eigenmittelbeschluss verpackt, betonte Prof. Geistlinger. „Die österreichische Regierung berief sich auf ein Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates, dass alles so in guter Ordnung sei, und will nun eine versteckte Vertragsänderung und Kompetenzüberschreitung insbesondere des Rates nicht, wie vom EU-Vertrag (Artikel 48) vorgesehen, und damit unter Verstoß gegen das EU-Beitritts Bundesverfassungsgesetz (BVG) per Parlamentsbeschluss gemäß Artikel 23i Abs 3 B-VG genehmigt bekommen.“

Verfassungsänderung bedarf Volksabstimmung

Prof. Geistlinger empfahl der FPÖ daher, hier nicht mitzumachen. „Es handelt sich bei der aufgezeigten Vertragsänderung durch Kompetenzüberschreitung nicht um eine Bagatellangelegenheit, sondern um eine, die die gesamte Finanz- und Wirtschaftsstruktur der EU betrifft. Hätte man dazu den EU-Vertrag, wie vorgeschrieben, geändert, wäre alles in guter Ordnung. So aber liegt ein sogenannter struktureller ultra-vires-Akt vor, der vom EU-Beitritts BVG nicht gedeckt ist. Jede Änderung des EU-Beitritts BVG bedeutet eine Gesamtänderung der Bundesverfassung und bedarf daher einer Volksabstimmung. Im konkreten Fall sind zusätzlich das demokratische und das rechtsstaatliche Bauprinzip der österreichischen Bundesverfassung betroffen.“


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